Ein transportabler Prototyp demonstriert die vollständig autarke Herstellung textiler Röhrenstrickwaren ausschließlich durch Windenergie – von der lokalen Wollverarbeitung bis zum fertigen Produkt. Die Maschinenreihe verbindet mechanische Effizienz mit ökologischer Nachhaltigkeit und künstlerischer Praxis und zeigt konkret, wie dezentrale, ressourcenunabhängige Produktion möglich ist.
Motivation: Ein radikales Umdenken in der Produktionslogik
Der Prototyp dient als Denkmodell und beweist, dass Produktion dezentral, energieautark und im Einklang mit natürlichen Ressourcen gestaltet werden kann. Inspiriert von Low-Tech-Design und kinetischer Kunst, wie Theo Jansens Strandbeesten, fordert er dazu auf, Abhängigkeiten von globalen Lieferketten und fossilen Energien zu hinterfragen. Es geht nicht um perfekte Effizienz, sondern um eine grundlegend neue Herangehensweise.
Methoden: Vom Wind zum fertigen Textil
Die direkte mechanische Kraftübertragung von einer 3m-Windturbine zur Rundstrickmaschine bildet das Herzstück des Prozesses. Ein Schwungrad stabilisiert die unregelmäßige Windenergie, um kontinuierliche Produktion zu ermöglichen. Der Prototyp ist mobil auf windexponierten Flächen wie Deichen oder Freiflächen aufstellbar und umfasst den vollständigen Prozess im Kleinmaßstab: von der Schur über Grobreinigung, Spinnen und Stricken bis zur Endreinigung.
Mittel: Einfachheit, Robustheit und Mobilität
Die Ausstattung umfasst eine 3m-Windturbine mit Rotor, eine mechanische Rundstrickmaschine und eine integrierte Spinnvorrichtung. Alles ist auf einem transportablen Gestell montiert und innerhalb weniger Stunden einsatzbereit. Dieser Aufbau gewährleistet Einfachheit, Robustheit und die Fähigkeit, an verschiedenen Orten operativ zu werden.
Wirkung: Über das Produkt hinaus
Der Prototyp erzeugt nicht nur Textilien, sondern macht den gesamten Produktionskreislauf sichtbar und erlebbar. Jedes Strickstück wird zur physischen Aufzeichnung lokaler Windverhältnisse – ein Unikat, das von Ort und Zeit erzählt. Damit kommentiert die Maschine nachhaltige Autonomie, Kreislaufwirtschaft und die Frage, wie zukünftige Produktion gestaltet werden kann.
Variable Standorte für urbane und ländliche Räume
Die Maschinen können nicht nur in ländlichen, windexponierten Gebieten, sondern auch in urbanen Räumen platziert werden. Geeignete Standorte sind exponierte Windkanäle in Großstädten, Hotspots wie U-Bahn-Schächte oder Hochhausschluchten, wo Windenergie nutzbar gemacht wird.
Variable Materialien für regionale Anpassung
Wolle ist eine direkt verwertbare Ressource, doch auch Pflanzen wie Hanf- oder Leinenfasern, die im europäischen Klima angebaut werden können, lassen sich vorprozessiert in den Windstrickern verarbeiten. Dies erweitert die Materialvielfalt und unterstreicht die Anpassungsfähigkeit des Systems an lokale Gegebenheiten.
SYSTEMIC
Energieautarkie und Skalierbarkeit
Die direkte mechanische Kraftübertragung vermeidet Umwandlungsverluste, doch die Abhängigkeit von Windkontinuität limitiert die Produktionsmenge erheblich. Ohne Energiespeicher (außer Schwungrad) entstehen Leerlaufzeiten. Ein ergänzendes Pedalsystem für windstille Phasen könnte die Resilienz erhöhen.
Materialkreisläufe und Ökobilanz
Die Fokussierung auf lokale Wolle ist systemisch wertvoll, vernachlässigt jedoch Reinigungs-Wasserbedarf und Schafhaltungs-Flächennutzung. Eine Integration von Regenwassernutzung und Pflanzenbasierte Reinigungsverfahren (z.B. Seifenrinde) wäre notwendig für echte Autarkie.
Soziokulturelle Übertragbarkeit
Die Performativität an urbanen Orten schafft Bewusstsein, doch die Übertragung auf andere Materialströme (z.B. Hanf oder recycelte Fasern) bliebe ungeklärt. Open-Source Baupläne mit modularen Adaptern für verschiedene Fasern könnten die Replikation fördern.
Wirtschaftliche Realisierbarkeit
Die Prototyp-Logik ignoriert Wartungskosten und Werkzeugbedarf für Reparaturen. Ein Community-basiertes Wartungsnetzwerk mit Ersatzteildepots an Standorten würde die Langzeitfunktionalität sichern.
Zeitliche Dimension
Jedes Produkt als "Wind-Dokument" ist poetisch, aber nicht standardisierbar. Die Einbettung in Bildungskontexte (Workshops zu Energie- und Materialflüssen) würde den multiplikativen Effekt über den Kunstcharakter hinausheben.
ECONOMIC
Wirtschaftliche Tragweite und Finanzierungsmodelle
Die autarke Strickproduktion stellt konventionelle Skaleneffizienz radikal infrage – während Einsparungen bei Energie und Transportkosten bestehen, erfordert die Dezentralisierung höhere Initialinvestitionen pro Einheit. Crowdfunding oder Kunstförderung bieten alternative Finanzierungswege, da der Prototyp sowohl technologisches als auch künstlerisches Statement ist. Die Wirtschaftlichkeit liegt nicht in Massenproduktion, sondern in der Wertschöpfung durch Lokalität und Transparenz.
Wertkonflikte und ungelöste Dilemmata
Ein fundamentales Spannungsfeld besteht zwischen Autarkie-Ideal und realer Marktintegration: Können windabhängige Produktionszeiten mit kommerziellen Liefererwartungen vereinbart werden? Zudem stellt die Nutzung urbaner Windkanäle rechtliche Fragen zu öffentlichem Raum und Sicherheit. Die Low-Tech-Philosophie kollidiert mit modernen Qualitätsstandards – eine bewusste Entscheidung für Unikate statt Uniformität.
Pragmatische Lösungsansätze
Statt Vollautarkie sofort anzustreben, könnte hybrides Arbeiten mit Netzstrom als Backup die Praxistauglichkeit erhöhen. Kooperativenmodelle, bei denen mehrere Nutzer:innen eine Anlage teilen, verteilen Kosten und Wartungsaufwand. Die Vermarktung als „Wind-zertifizierte“ Limited Editions mit dokumentierten Produktionsdaten schafft narrative Wertsteigerung.
Inspirierende Referenzen und reale Vorbilder
Windgestützte Pioniere: Die niederländische Kunsthandwerksbewegung „Windweavers“ nutzt ähnliche Prinzipien für community-basierte Textilproduktion. Im architektonischen Bereich zeigt das „Windwickel“-Projekt der TU Delft, wie Windenergie direkt mechanisch genutzt werden kann. Ökonomisch relevant ist Elinor Ostroms Forschung zu Gemeingütern, die dezentrale Ressourcennutzung erfolgreich verwaltet – ein Modell für kooperative Windnutzungsrechte in urbanen Räumen.
BLOOM
Zustand
Das Konzept befindet sich in einem fortgeschrittenen Prototypenstadium, das bereits eine vollständige, autarke textile Produktionskette demonstriert. Es verbindet mechanische Effizienz mit künstlerischer Praxis und ökologischem Anspruch auf innovative Weise. Die direkte Kraftübertragung durch Windenergie und die Integration aller Verarbeitungsschritte von der Rohwolle bis zum Strickprodukt zeigen ein hohes Maß an technischer Kohärenz und visionärer Kraft. Allerdings bleibt die praktische Umsetzung durch die Abhängigkeit von Windkontinuität und ungelöste Fragen der Materialaufbereitung noch begrenzt. Das Potenzial liegt in der Übertragbarkeit des Prinzips auf andere Materialien und Standorte sowie in der starken symbolischen und edukativen Wirkung, die dezentrale Produktionsalternativen konkret erfahrbar macht.
Hotspots
Kritisch ist vor allem die Energieautarkie, da das Fehlen eines echten Energiespeichers über das Schwungrad hinaus zu erheblichen Produktionsunterbrechungen führt. Die Materialkreisläufe sind noch nicht vollständig geschlossen, insbesondere beim Wasserbedarf für die Reinigung und den Flächenverbrauch der Schafhaltung. Positiv hervorzuheben sind die mechanische Einfachheit und Robustheit des Systems, die niedrige Einstiegshürden ermöglichen, sowie die starke narrative und ästhetische Qualität, die jedes Produkt zu einem einzigartigen Dokument der lokalen Bedingungen macht. Die Übertragbarkeit auf urbane Räume und alternative Fasern wie Hanf eröffnet zudem interessante Anwendungsszenarien.
Muster
Das Konzept folgt einem Muster der radikalen Vereinfachung und Direktheit. Es setzt auf low-tech, mechanische Lösungen statt komplexer Technologie, vermeidet Energieumwandlungsverluste und priorisiert Transparenz im Produktionsprozess. Es verbindet Funktionalität mit Symbolkraft, indem es jedes Produkt als Aufzeichnung von Ort und Zeit begreift. Das System ist modular und mobil angelegt, was schnelle Aufstellung und Anpassung ermöglicht. Es strebt nach geschlossenen Kreisläufen, erkennt aber die Notwendigkeit ergänzender Systeme wie Wasseraufbereitung oder Community-Netzwerke für Wartung und Skalierung.